Tradition seit 1000 Jahren
Neue Schutzpatrone für den Naumburger Dom
Cranach-Triegel-Altar kann nach Naumburg zurückkehren
Nachruf Dr. iur. Axel Guido Vulpius
Von der Bischofskurie zum ZENTRUM WELTERBE am Naumburger Dom
Fragment der Chronik des Thietmar von Merseburg ersteigert
Bilanz 2022 und Ausblick auf 2023
Kolloquium: Neue Erkenntnisse zum Altarprojekt „Triegel trifft Cranach“
Fassadenrestaurierung am Sockel des Westchors des Naumburger Dom
Liebe Schwestern und Brüder,
In Zeiten wie diesen, die uns allen in vieler Hinsicht viele Sorgen machen, fällt mir öfter als sonst das Abendlied ein, das meine gute Großmutter selig beim Zu-Bett-Bringen manchmal mit mir gesungen hat. „Guten Abend, gute Nacht!“ beginnt es, und ein paar Zeilen weiter heißt es dann: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ Ein Abendlied, ein Einschlaflied, auch ein Gebet. Die Kinderängste vor dem Dunkel der Nacht sollten weichen und ich sollte gut schlafen und morgens fröhlich erwachen. „Morgen früh, wenn Gott will…“
Wenn Gott will? Dieses „wenn Gott will“ habe ich als Kind nicht als bedrohlich empfunden. Ich habe mich nicht gefragt „was ist eigentlich, wenn er nicht will?“ Das lag vielleicht an der lieblichen Melodie von Brahms. Oder an der wohligen Atmosphäre zu Hause. „Morgen früh, wenn Gott will…“ Das war für mich Ausdruck einer umfassenden Geborgenheit, die Gott für mich und für alle Menschen will. Und eben nicht nicht will.
Später bin ich derselben Formel in anderen Worten neu begegnet. Meine Ausbildungspastorin, die mir im Vikariat erste Schritte im Predigen beibrachte, schrieb immer und schreibt noch heute, im Alter von 90 Jahren, unter ihre Briefe mit Abmachungen und Wiedersehenswünschen „scj“. Eine Abkürzung für „sub conditione jacobea“. Das heißt „unter der Bedingung bei Jakobus“ und bezieht sich auf die Bibelstelle Jakobus 4,15, wo es heißt: „Ihr solltet sagen: Wenn der Herr will, wenn wir leben und dies oder das tun“. Heute ist die Formel scj aus der Mode gekommen, die meisten meiner Studenten kennen sie gar nicht, ich muss das immer erst erklären. Aber ich erkläre das gerne, denn die Haltung, die dahinter steckt, die ist heute mehr denn je gefragt und gefordert. In Demut macht der Jakobusbrief klar, wie vorläufig alle unsere Pläne sind. Wie es sein und werden wird in der Zukunft, das vertraut er Gott an. Das bedarf keiner großen Worte, man kann das mit einem Satz oder – abgekürzt – mit drei Buchstaben ausdrücken: scj. Und damit sagen: Wir haben nicht alles im Griff. Es gibt Grenzen unseres Redens und Tuns, und die sind enger als uns lieb ist. Wir merken das im graudunklen November, wenn im Kirchenjahr Tod, Endlichkeit und Ewigkeit Thema sind. Und wir spüren das angesichts der Kriegs- und Katastrophennachrichten aus aller Welt, denen wir hilflos ausgeliefert sind. Wir haben die Dinge nicht im Griff. Das kann einen beunruhigen, das kann manchen verzweifeln lassen. Aber dann fällt mir auf einmal wieder jenes Lied aus Kindertagen ein: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt“, und es fällt mir ein, dass ich mich damals nicht ängstlich gefragt habe „was, wenn er nicht will?“, sondern mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon ausgegangen bin, dass es am nächsten Tag schon weitergehen wird. Es gibt sie eben, diese Geborgenheit, die Gott für uns Menschen will. Und eben nicht nicht will. Mit so einem Gefühl einzuschlafen und sich am nächsten Morgen wieder an die Arbeit zu machen, das kann man als kindliche Naivität bezeichnen – oder eben auch als Gottvertrauen oder meinetwegen als Glauben.
Liebe Schwestern und Brüder, Gott möge uns dieses kindlich-naive Vertrauen auf seine Güte und Macht erhalten. Er möge uns das Vertrauen auf ihn erhalten in Zeiten wie diesen. Ich wünsche uns heute gute Beratungen und Ergebnisse, und ich hoffe, dass wir uns dann im Advent (Stichwort Triegel-Altar) oder im neuen Jahr bei den Treffen unseres Domkapitels fröhlich und zuversichtlich wiedersehen – sub conditione jacobea …
Amen.
Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz
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